Zeit und Zeitlosigkeit des Atelier Valèík


Einmal habe ich über das Atelier Valèík geschrieben, dass es zuallererst eine Familie ist. Damit habe ich nicht nur die Tatsache gemeint, dass es um einen Vater und seine Kinder geht, also um eine Familie, für die das Malen, Fotografieren, die Produktion von Statuen, Gebrauchsgegenständen, Covers oder Kalendern seit nun fast 12 Jahren zum Leben und dessen Sinn geworden ist. Dafür könnten wir in der Geschichte viele ähnliche Beispiele finden und es gibt keinen besonderen Grund dies zu betonen. Wenn ich das trotzdem getan habe, und nicht nur einmal, dann meinte ich damit, dass das Wort Familie in diesem Fall etwas Zeitloses, Naturhaftes, genauer Blutsverwandtes, aber auch etwas Institutionelles, Geschichtliches und daher Zeitliches in sich vereint. Man könnte einwenden, dass das nicht nur für Malerfamilien gelte, sondern für alle Familien überhaupt, und man hätte nach unseren gängigen Vorstellungen auch Recht damit. Als ich mich auf die Institution der Familie berufen habe, hatte ich keine rechtlichen oder gesellschaftlichen Normen oder politische Vorstellungen im Sinn, sondern die einfache Tatsache, die nur für wenige Künstlerfamilien gilt. Im Atelier Valèík bedeutet die Familie nicht nur Verwandtschaft, sondern auch Malerschule, Werkstatt, Künstlergilde und Atelier in einem. Ich erwähne es, weil ich aus dieser Vielschichtigkeit der Familie die besonderen Erscheinungsformen von Zeit und Zeitlosigkeit des Atelier Valèík herleiten will. Wenn ich über die Zeit schreibe, dann will ich es nicht auf die Geschichten über gute, schlimmere und schlimme Zeiten einschränken, so wie wir alle sie individuell erleben und zweifellos auch die einzelnen Mitglieder des Atelier oder das Atelier selbst. Ebenso beabsichtige ich keine Chronologie des Atelier Valèík zu liefern von seiner Gründung im Jahre 1993 bis zu der jüngsten Ausstellung des Jahres 2005. Es wäre sicher eine stattliche und aufschlussreiche Aufstellung. Aber ich will nicht die „äußere“ Geschichte des Atelier Valèík, seine Wandlungen, die Verlegungen seines Sitzes oder die gesellschaftlichen Ereignisse rekonstruieren, welche auf das Atelier Valèík einwirkten bzw. die es selber hervorrief. Auch darüber könnte man so manches schreiben und es würde sich sicher lohnen, für eine Weile Historiker zu werden und die Archive zu durchforsten. Es würde sich zumindest bestätigen, dass das Atelier Valèík nichts Fiktives oder Virtuelles ist, sondern eine Künstlergruppierung, die nicht nur ein Bestandteil der tschechischen, mährischen und mitteleuropäischen Gemeinschaft ist, sondern auch etwas, was Aufmerksamkeit auf sich zieht, Interesse hervorruft, positive und widerspruchsvolle Reaktionen herausfordert und damit seine Ungewöhnlichkeit kraftvoll bestätigt. Mit dem Begriff der Zeit will ich auch keine Spekulationen über Herkunft, Einflüsse, Parallelen, kurz über die innere Geschichte ihres Schaffens einleiten, auch wenn sich hier ebenfalls viel Gewichtiges zeigen würde. Es würde wahrscheinlich zu Tage kommen, dass sich das Atelier Valèík in der Zeit des Eindringens der Medien und Installationen eher „unmodisch“ und wohl auch „antiprofessionell“ den klassischen Gattungen des Malens widmet, so wie wir sie noch am Anfang des vorigen Jahrhunderts beobachten konnten. Wir würden feststellen, dass das Atelier Valèík sich mit gegenständlicher Malerei und mit Gattungen befasst, die gegenwärtig eher auf dem Feld der naiven als der avantgardistischen Kunst anzutreffen sind. Solche Überlegungen, so interessant sie auch sein könnten, will ich jetzt nicht weiter ausführen. Im Gegenteil: Über die Zeit und die Zeitlosigkeit will ich etwas im Hinblick auf die einzelnen Teile und Schaffensmethoden des Atelier Valèík schreiben. Zum Beispiel darüber, dass Josef in dieser Gruppe den zeitlichen und historischen Faktor verkörpert. Nicht nur aus dem Grund, weil er das Atelier gegründet hat, sondern vor allem deshalb, weil er ständig unzufrieden, ständig auf der Suche ist. Solche Motivationen und Charakteristika erfordern jedoch eine nähere Erklärung. Allein schon deswegen, weil das Gefühl der Unzufriedenheit und des Suchens auch die anderen Mitglieder des Atelier teilen. Josef Valèík projiziert jedoch gleich von Anfang an, und darin unterscheidet er sich von seinen Kindern, die Unzufriedenheit und das Suchen nach außen, in nicht nur technische Experimente, in seine Grenzgänge zwischen Kunstarten und Gattungen, von Gemälden über Fotografien bis zu Skulpturen. Aleš und Magda kehren ihre Unzufriedenheit und Suche nach innen, konzentrieren sich auf kaum merkbare, für sie jedoch wesentliche Änderungen des Malens in schwerpunktmäßig einem Medium, ja beinahe überwiegend in einer Gattung. Zeit und Zeitlosigkeit zeigen sich im Schaffen der einzelnen Künstler des Atelier auch darin, welchen zeitgebundenen und zeitlosen Gattungen sie sich widmen. Wenn Josefs Porträts, Akte, Blumensträuße oder auch symbolische Bilder versuchen Veränderungen festzuhalten, dann gilt dasselbe auch für Alešs Marinen und Landschaftsbilder mit Wäldern, Wasserflächen und Küsten; für Magda jedoch viel weniger, denn sie malt mit zielbewusster Beharrlichkeit Stillleben und schmale Ausschnitte von Landschaften ohne bemerkbare Anwesenheit des Menschen. Zeit und Zeitlosigkeit haben in den Werken von Josef, Magda und Aleš noch eine, zwar mit dem Gesagten verwandte, aber sich davon unterscheidende Dimension: Es ist die Zeit bzw. Zeitlosigkeit der Malmethode, der Handschrift, der verwendeten Technik. So unterscheiden sich die zeitgebundene gestische Malerei oder die leidenschaftliche Handschrift der Bilder und Skulpturen Josefs, die zu einer Zeitlosigkeit des Symbols tendieren, wie sich die fließenden Aquarellbilder von Aleš unterscheiden, welche die Vergänglichkeit der Zeit widerspiegeln, die Wandelbarkeit des sich ständig Wiederholenden, Zeitlosen. Ebenso differieren die Ölbilder Magdas, welche die Zeitlosigkeit der Geometrie und die zeitgebundenen vibrierenden farbigen Punkte miteinander verknüpfen. Die Zeit und die Zeitlosigkeit bilden im Atelier Valèík jene charakteristische Einheit der Unterschiede, die wohl kaum zu sehen wäre, wenn das Atelier Valèík nicht eine Familie wäre. Aus diesen inneren Zusammenhängen erklärt sich auch das immer wiederkehrende Ringen des Atelier Valèík, die periodischen Verwandlungen der vier Jahreszeiten, deren kritische Punkte Zeit und Bewegung sind, im Medium der Malerei festzuhalten.
 

Doz. PhDr. Marian Zervan, PhD. (1952) ist Theoretiker und Ästhetiker der Kunst und der zeitgenössischen Architektur. Er schrieb Bücher über sakrale Ikonographie, ist Kurator von Ausstellungen über die slowakische Gegenwartsarchitektur im In- und Ausland, für die er umfangreiche Studien in die Ausstellungskataloge verfasst hat. Er wirkte als Dozent an der Fakultät für Architektur der TU Bratislava, gegenwärtig ist er auch Dozent an der Hochschule für bildende Kunst in Bratislava.